Konflikte im Schulsystem

Durch knappe Ressourcen und den Konkurrenzkampf zwischen Schulen müssen Schulen sich nach außen gut darstellen und werben. Das Thema Hochbegabung ist sehr gut für das Renommee einer Schule und zieht leistungsorientierte Familien an. Die Außendarstellung der Schulen kann, aber muss deshalb nicht immer der Realität entsprechen. Falls es eher eine Werbemaßnahme ist, heißt dies für die Hochbegabten und deren Eltern, dass Ihnen falsche Versprechungen gemacht werden. Für das Schulpersonal heißt es, dass man evtl. Kinder anwirbt, für die man eigentlich keine Ressourcen hat.

Auch stellen viele Hochbegabtenkonzepte eher eine Hochleister- als eine Hochbegabtenförderung dar. (s.a. Hochbegabung vs. Hochleistung)

Außerdem ist das Thema Hochbegabung bei vielen Lehrern in der Ausbildung gar nicht oder nur sehr rudimentär behandelt worden. Es fehlt an Wissen und Erfahrung in der Arbeit mit Hochbegabten. Eine Haltung, die mir in Gesprächen mit Lehrern schon oft begegnet ist, ist, dass HB-Förderung ist unnötige Eliteförderung ist und zu Lasten der schwachen Schüler geht und deshalb abgelehnt wird.

Wenn ein besonderes Eingehen auf die HB nötig erscheint, sollte man sich deshalb nicht auf die öffentliche Darstellung verlassen, sondern sich im persönlichen Gespräch orientieren. Hierin sollten die Besonderheiten des Kindes geschildert werden und die konkreten Lösungen der Schule erfragt werden.

Nicht selten kommt es zu Konflikten zwischen Schule und Eltern.

Hierbei sollten Eltern folgendes bedenken:

  • Das Unterrichten von HB erfordert hohe fachliche, pädagogische und emotionale Kompetenzen.
  • Das Wissen über HB ist oft gering, die Herausforderung oder Not schwer nachvollziehbar
  • Der zusätzliche Aufwand für die HB-Förderung geht meist zu Lasten des einzelnen Lehrers. Das heißt, alles, was er für den Hochbegabten erarbeitet, geht von seiner Freizeit ab, er bekommt dafür keine zusätzliche Zeit zur Verfügung gestellt bzw. berechnet. Eine Hochbegabtenförderung, wenn sie erstmalig durchgeführt wird und im Grunde Konzepte und Fördermöglichkeiten neu erarbeitet und beschafft werden müssen, ist sehr aufwändig und überfordert evtl. die Einzelperson. Dieses Problem ist ein systemisches und politisches, das sich im Eltern- Lehrerkonflikt oft auf die persönliche Ebene überträgt.

Lehrer sollten folgendes bedenken:

  • HB-Förderung sollte aufgrund der Risiken präventiv erfolgen. Wenn die Schüler keine ausreichend komplexen Aufgaben bekommen und nicht lernen könne, sich anzustrengen, sind sie hinsichtlich Ihrer Lernstrategien und Selbstmanagementfähigkeiten für den weiteren Lebensweg oft schlecht aufgestellt. Dies zeigt sich häufig erst im Studium. Auch drohen psychische Symptomatiken wie z.B. eine Erschöpfungsdepression.
  • Oft versuchen die Hochbegabte sich in der Schule anzupassen und keine Abweichung oder Schwäche zu zeigen. Nicht selten berichten die Lehrer, dass das Kind in der Schule gut integriert, fröhlich und ausgeglichen wirkt und können den Schilderungen der Eltern kaum glauben. Manchen Hochbegabten gelingt es, sich in der Schule noch anzupassen, das ist jedoch anstrengend, und zu Hause „brechen“ sie zusammen und zeigen vielfältige psychische Symptome. Je nach Typ z.B. Wut, Weinen, Schlafstörungen, Verweigerung, Apathie u.w.. In jüngeren Jahren treten vermehrt körperliche Symptome wie z.B. Bauch-oder Kopfschmerzen auf. Ebenso können suizidale Tendenzen vorkommen. Da die Eindrücke des Kindes in den verschiedenen Kontexten so unterschiedlich sind, werden Eltern häufig nicht ernstgenommen und sie werden als „leistungsorientiert, unverschämt fordernd oder „spinnert“ abgetan. Die Eltern sind in großer Sorge oder sogar Angst um das Wohlergehen Ihres Kindes, aber es wurden Ihnen bislang nur unzureichende oder falsche Vorschläge oder Versprechungen gemacht (sonst wäre das Kind nicht in dieser Verfassung). Das Vertrauen zur Schule ist dementsprechend oft gestört.
  • Die Eltern kennen die schulische Systeme nicht und können nicht abschätzen, wieviel Aufwand es für den einzelnen Lehrer bedeutet, Konzepte und Materialien zu erstellen, v.a. falls dies erstmalig ist und man wenig Erfahrung in dem Thema hat. Die zu wenigen Ressourcen, die Ihnen als Lehrperson zur Verfügung gestellt werden sind ein systemisches und politisches Problem, der daraus entstehende Konflikt wird zwischen Ihnen und dem Kind bzw. den Eltern ausgetragen. Für die sich sorgenden Eltern sind sie der Ansprechpartner und repräsentieren das System Schule. Sie sind der Weg, damit es dem Kind gut geht und es ist nachvollziehbar, das Eltern die Schule in die Pflicht nehmen, wenn sie merken, dass es Ihrem Kind besorgniserregend schlecht geht.

Dementsprechend ist beim gemeinsamen Arbeiten und im Konfliktfall folgendes Verhalten hilfreich:

Tipps für Eltern.

  • Wertschätzung für Arbeit des Lehrpersonals verdeutlichen
  • Individuellen Förderplan einfordern
  • Regelmäßige Gespräche und Evaluation der Maßnahmen (Zeitabstand angepasst an Bedarf: bei großen Schwierigkeiten und Austestung von Maßnahmen kann dies täglich oder wöchentlich notwendig sein, wenn alles gut läuft, reicht evtl. sogar ein Gespräch im Jahr)
  • Gespräche sehr gut vorbereiten (Auftreten, Argumentation und Verdeutlichung Bedarf)
  • Gespräche protokollieren und von beiden Seiten unterschreiben lassen
  • Wenn Maßnahmen nicht greifen: Hinzuziehen von Schulpsychologe, Sonderpädagoge, externer Beratung
  • Bei anhaltenden gravierenden Mängeln: Schulaufsicht / Schulamt einschalten
  • Im Konfliktfall: Hinzuziehen von Mediatoren
  • Falls ein Schulwechsel vorgeschlagen wird, weil die Schule keine ausreichenden Kapazitäten hat: prüfen Sie, ob dies sinnvoll für das Kind ist und ob die aufnehmende Schule wirklich bessere Möglichkeiten und Kapazitäten hat. Wenn nicht, nehmen Sie die Schule in die Pflicht, sonst droht die Gefahr immer weiter wechseln zu müssen.

Tipps für Lehrer:

  • Zeigen Sie Verständnis für die emotionale Belastungen, interessieren Sie sich für die gezeigten Symptome und erfragen Sie diese. Dadurch signalisieren Sie, das Sie den Eltern glauben und Sie ernstnehmen. Sobald die Eltern dies spüren, müssen Sie nicht mehr darum kämpfen und die Symptome nicht wiederholt und drastisch schildern.
  • Besprechen Sie offen und ehrlich, was Sie leisten können und was nicht. Beziehen Sie dies in die Lösungsfindung mit ein.
  • Holen Sie sich Beratung und Unterstützung vom Schulpsychologen, Sonderpädagogen, oder externen Stellen. Sowohl im Sinne fachlicher Beratung wie z.B. der Erstellung des Förderplans als auch als Mediatoren im Konfliktfall.
  • Fordern Sie auf Schulleitungsebene und/oder darüber systemische Lösungen und Ressourcen ein.

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