Austismusspektrum

In der Vergangenheit hat man Autismus in Kategorien unterteilt und zwischen frühkindlichem und atypischem Autismus sowie dem Asperger-Syndrom unterschieden. Diese Unterteilung erwies sich in der Praxis als nicht haltbar. Die neueren Ansätze begreifen die Symptomatik auf einem Kontinuum und beschreiben ein Autismusspektrum. Eine weitere begrüßenswerte Entwicklung ist, dass in dem aktuellen Diskurs über Neurodiversität die  defizitorientierte Klassifizierung des Autismusspektrums als Krankheit in Frage gestellt wird und gefordert wird, das Autismusspektrum als eine neurologische Variation zu begreifen.

Zwischen Hochbegabung und dem Autismusspektrum bestehen Zusammenhänge. Etliche Menschen mit Autismusmerkmalen weisen eine Hochbegabung auf und bei vielen Hochbegabten lassen sich gering ausgeprägte Autismusphänomene beobachten.

In der Hochbegabtenberatung treten deshalb vermehrt folgende Themen auf:

  1. Mangelndes Erkennen von Gefühlen / emotionaler Dynamik bei anderen Menschen
  2. Rudimentäre Wahrnehmung eigener Gefühle
  3. Reizfilter- / Reizverarbeitungsstörung
  4. Zwanghaftes Verhalten
  5. Nicht Lügen können, logische Wertentwicklung

Hierfür haben sich in meiner Praxis folgende Methoden bewährt:

Zu 1.: Mangelndes Erkennen von Gefühlen / emotionaler Dynamik bei anderen Menschen

  • Emotionswissen erhöhen, Emotionserkennung und Empathie trainieren:
    - Training emotionaler Kompetenzen
    - Filme u.ä. analysieren (Tipp: mit Proxemik / Körperhaltung beginnen)
    - Training und Materialien nach Paul Ekman und Mimikresonanz
  • soziale Kompetenz und Kontaktfähigkeit erhöhen, z.B.:
    - Blickkontakt trainieren (Trick: auf Nasenwurzel schauen)
    - Rollenspiele
    - Vor- und Nachbereitung von schwierigen Situationen und Gesprächen
  • Sprichwörter, Metaphern etc. erklären
  • Prüfen: Logik vs. „Sinn“

Zu 2.: Rudimentäre Wahrnehmung eigener Gefühle

  • Achtsamkeitsübungen
  • individuell zusammengestellte Elemente des Trainings emotionaler Kompetenzen

Zu 3.: Reizfilter- / Reizverarbeitungsstörung

Da bei Asperger bei einer Reizüberflutung die Gefahr von einem „Shut-In“ oder „Melt-Down“ besteht, ist wichtig zu erarbeiten

  • wo die eigene Grenze ist
  • welche Risikosituationen es gibt
  • welche Symptome bzw. Warnsignale die Überforderung ankündigen bzw. anzeigen

Ansonsten empfehlen sich die gleichen Methoden wie im Umgang mit Hochsensibilität.

Zu 4.: Zwanghaftes Verhalten

Die Zwänge sind meiner Ansicht nach nicht mit klassischen pathologischen Zwängen gleichzusetzen. Die oft zwanghaft wirkenden, aber oft strukturierenden und beruhigenden Routinen und Regeln sind genuin und nicht „neurotisch“. Ein komplettes Aufgeben ist oft unmöglich und führt zu unerträglichem inneren Stress.

Deshalb muss man in großen Teilen schauen, wie man sich am besten arrangiert.
Außerdem hat sich bewährt:

  • funktionale Oberpläne und Entspannungsmöglichkeiten für Notsituationen zu entwickeln
    (z.B.: Mein Tagesplan ist durcheinander. Eine Ausnahme fühlt sich schlimm an, aber der Stress geht wieder vorbei. Es ist nicht schön, aber ich kann das aushalten. Ich kann in jeder Pause Vokabeln lernen und mich damit ein bisschen beruhigen. Heute abend kann ich meine Routine wieder aufnehmen und dann wieder ganz ruhig werden. Es dauert dann nur etwas länger.)
  • 3 Arten von Regeln zu bestimmen:
    ° Regeln die niemals gebrochen werden dürfen
    ° Regeln, die unter bestimmten Umständen gebrochen werden dürfen
    ° Regeln, von denen jeder weiß, dass sie zwar aufgestellt, aber regelmäßig übertreten werden

zu 5.: Nicht Lügen können, logische Wertentwicklung


Hier ist es hilfreich zu differenzieren:

  • Es gibt zwei Ebenen: die Sachebene und die Emotionsebene.

Es kann sein, dass man auf der Sachebene lügt, aber nicht auf der Emotionsebene (und umgekehrt).

Man sollte immer entscheiden: Welche Ebene steht im Vordergrund? Zählt die emotionale Wahrheit (sprich Wirkung) oder die sachlich - logische?

Weiterführende Informationen und Materialien finden Sie auf folgenden Webseiten:

Brit Wilczek hat ein meiner Ansicht nach sehr gutes Buch geschrieben, das es Betroffenen und Nicht-Betroffenen erleichtert, Autismus zu verstehen und Lösungen in einem gegenseitigen Verständnis zu finden. Das Buch heißt "Wer ist hier eigentlich autistisch?" und ist im Mad Man´s Magic Verlag erschienen. Eine komprimierte Zusammenfassung Ihrer Erkenntnisse und Ansätze ist im Psychotherapeutenjournal 2/2015 veröffentlicht worden, den Artikel einen Sie hier.

Filme, Infos, Tests, Materialien:
www.asperger-konkret.ch

Um das Empfinden von Menschen mit Autismusspektrumsmerkmalen zu verdeutlichen:
www.asperger-wahrnehmung.de

Rechtliches:
www.autismus.de

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